Mittwoch, 2. April 2025

Mensch, warum ist der Nackend

"Hans, merkst du das nicht oder spielst du einfach Verstecken mit der Wahrheit?" Rief Helga ihrem Mann zu. „Der neue Typ nebenan spaziert ständig splitterfasernackt durch seinen Garten“,

„Ja und? Das ist sein Garten, nicht unserer“, sagte er kurz und knapp.

„Willst du mich nicht verstehen? Er kann sich doch nicht einfach vor aller Welt sich nackt zeigen. Das ist echt Schamlos und einfach nur eine bodenlose Frechheit! Er drängt mich, einen Blick auf sein Geschlechtsteil zu werfen. Jetzt tu doch endlich etwas dagegen!“, schimpfte Helga.

„Er zwingt dich ja nicht, in seinen Garten zu schauen. „Und hey, das ist völlig okay, solange er keine sexuelle Handlung begeht“, konterte Hans locker.

„Er verletzt meine Schamgefühle. Das ist ein Verstoß gegen das Sittengesetz. Und stell dir vor, unsere Enkelkinder kommen zu Besuch. Er läuft dann so herum, das wäre ein Schock für sie. Angelika ist gerade erst am Ende der Pubertät, sie sollte so etwas nicht sehen. Das könnte sie nur sexualisieren und auf falsche Gedanken bringen. Arno ist mit zwölf bald in der Pubertät, und besonders unsere Silke, die erst acht ist – was die durchmacht, wenn sie den unverschämten Nachbarn so sieht, kann ich mir gar nicht vorstellen“, ließ Helga nicht locker.

„Jetzt hör doch auf. Ich kann ja mal rübergehen und fragen, ob er den kleinen Jägerzaun gegen einen Sichtschutzzaun austauschen würde“, schlug Hans schließlich vor.

„Dann bekommen meine Blumen, die ich dort gepflanzt habe, keine Sonne mehr, denn die kommt aus dieser Richtung. Er soll sich einfach eine Hose anziehen – andere können das doch auch“, jammerte Helga erneut. Die Enkelkinder durften deshalb auch kaum in ihrem Garten spielen. Hans dachte bei sich, kein Wunder, dass die Enkelkinder uns so selten besuchen. Im Haus dürfen sie nicht herumtoben, und der Garten ist im Grunde tabu. Nur auf der Schaukel und im Sandkasten dürfen sie spielen – was für Angelika und Arno inzwischen wohl nicht mehr besonders interessant ist.

Hans klingelte und hörte einen wohlklingenden Big Ben-Ton. „Was für eine tolle Sache“, dachte er. So etwas hatte er sich auch schon einmal überlegt, doch Helga nannte es Schnickschnack und Geldverschwendung. Dann öffnete der Nachbar die Tür. Er war etwa 40 Jahre alt, hatte kurz geschnittenes Haar und einen dünnen Vollbart. Er trug offenbar nur einen Bademantel.

„Guten Tag, Herr Wellenbring. Was führt Sie zu mir?“, begrüßte er Hans und fragte nach dem Grund seines Besuchs.

„Guten Tag, Herr Scharpen. Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, aber meine Frau regt sich darüber auf, dass Sie oft nackt im Garten zu sehen sind. Ich habe versucht, ihr klarzumachen, dass Sie dabei nichts Verbotenes tun“, erklärte Hans zögernd.

„Wissen Sie was? Kommen Sie einfach herein. Ich habe gerade einen guten italienischen Wein geöffnet – den müssen Sie unbedingt probieren“, lud der Nachbar ihn ein. Hans liebte Wein. Im Keller besaß er eine kleine Sammlung erlesener Weine, von denen seine Frau jedoch nichts wusste. Sie sah nur die normalen Weine, die im kleinen Weinregal standen, das maximal 20 Flaschen fasste. „Mehr braucht man nicht“, war ihre Meinung. Zum Glück kannte sie das Zimmer nicht, das Hans damals, als er das Haus mitgebaut hatte, er dieses vom Keller abgetrennt hatte. Er war selbst Maurer von Beruf. Um in dieses Zimmer zu gelangen, musste man an einer versteckten Stelle einen Hebel betätigen, der eine verborgene Tür entriegelte. Erst dann konnte man ein Stück Mauer nach hinten drücken und so in das geheime Zimmer gelangen. Dieser versteckte Zugang war sein Meisterstück. Ein alter Maurermeister hatte ihm diese Technik einst in einem alten Haus gezeigt, das sie zusammen restaurierten und ausführlich erklärt.

 

Hans war darum sehr interessiert am Wein des Nachbarn. Bald saßen die beiden im Wohnzimmer in schweren Sesseln, die ein Schreiner wohl aus Wurzelholz gefertigt hatte. Hans dachte bei sich, dass solche Möbel auch sein Traum wären. Doch ihm war sofort klar, dass seine Helga das nicht gefallen würde.

„Ich muss sagen, das ist wirklich ein herrlicher Wein, den Sie da gefunden haben. Sagen Sie mal, das ist doch ein wirklich großes Haus. Haben Sie vor, irgendwann eine Familie zu gründen?“, fragte Hans neugierig.

„Ja, das war der Plan. Meiner Frau gefiel das Haus auch sehr. Es wäre alles so toll gelaufen“, begann der Nachbar zu erzählen. „Doch ich hatte schon seit Kindertagen einen Traum, sollte ich einmal genug Geld haben, um so ein Haus zu kaufen, wollte ich es zu meinem FKK-Paradies machen. Denn schon als Kind lief ich, zum Leidwesen meiner Eltern, lieber nackt herum. Als Kindergartenkind hatten sie damit kein Problem, doch als ich in die Grundschule kam, versuchten sie, mich davon abzubringen. Kaum war ich auf der weiterführenden Schule, wurde das Verbot noch viel strenger gehandhabt. Mit Hausarrest, Fernsehverbot und noch mehr Strafen wurde gedroht, da blieb kein Spielraum! Da gab ich nach, was aber nicht bedeutete, dass ich aufgab. Besonders als ich erfuhr, dass es im Hallenbad eines Nachbarortes FKK-Schwimmzeiten gab, war ich begeistert. Doch als ich gerade 17 wurde, entschied man, diese Zeiten zu streichen. Nicht etwa wegen mangelnder Badegäste, sondern weil einige Menschen Angst um das Seelenheil der Kinder hatten, die wie ich diese FKK-Zeiten nutzten. Alle Proteste halfen nichts. Die selbsternannten Kinderschützer waren in der Übermacht. So wurde nach 34 Jahren das FKK-Schwimmen eingestellt. Dummerweise hatte ich meiner Frau nie von dieser Leidenschaft erzählt. Das wurde erst zum Problem, als wir Kinder bekamen. Wie bei mir war es ihnen erlaubt, sich nackt überall zu bewegen. Doch wie bei mir versuchte meine Frau, sie mit zunehmendem Alter dahin zu erziehen, sich für ihre Nacktheit zu schämen hätten.“.

Ich arbeitete heimlich irgendwann gegen meine Frau, indem ich mit meinen Kindern Radtouren unternahm. Das Ziel war meist ein See, an dem wir FKK (Freikörperkultur) praktizierten, was meinen Kindern gefiel. Eben das sie einen Ort hatten wo die Mutter ihnen ihre Lebensfreude nicht verbieten konnte. Allerdings legten die Kinder ihre freie Lebensweise zu Hause nicht ab, was meine Frau mir als Ursache zuschrieb. Denn sie versuchte da auch immer wieder meinen Kindern klar zu machen, das sie sich auch gegenüber den Eltern nicht mehr sich nackend zu zeigen hätten. Sie sah dann in mir als Naturist eine Gefahr für die Kinder. Der Scheidungsrichter bewertete die Situation jedoch anders. Ich darf darum meine Kinder in jedem Fall sehen.

In diesem Moment klingelte es an der Tür.

„Upps, wie lange bin ich denn schon hier? Meine Frau vermisst mich bestimmt und steht jetzt vor der Tür“, sagte Hans grinsend. Sie gingen nun zusammen zur Haustür, doch als Norbert sie nun öffnete, stand dort nicht Hans Ehefrau, sondern eine Frau, die dem Traum vieler alleinstehender Männer ähnelte. Nur eben nicht was die Konservative Kleidung anging.

„Gut, dass das Jugendamt doch noch auf mich gehört und einen Beamten auf meinen Mann angesetzt hat. Ich hoffe, sie haben ihm klargemacht, dass FKK nicht zur Kindererziehung gehört und sogar schädlich für Kinder ist“, sagte die Frau. Hans war unsicher, ob er sie aufklären sollte. Hinter ihr standen zwei Jungen, die bereits mit den Augen rollten. So war ihm dann klar, das er hier etwas Schauspielern musste. „Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie die Ex-Frau sind, dieses Mannes sind? Ich hatte gerade ein sehr ernsthaftes Gespräch mit Ihrem Mann und hoffe, dass es Früchte trägt, sodass Sie um die Psyche Ihrer Kinder keine Angst mehr haben müssen. Es hatte sich da auch schon eine Nachbarin beschwert“, erklärte Hans. Als Versicherungssachbearbeiter war er es gewohnt, so mit Menschen zu sprechen. Die Kinder wirkten jedoch sichtlich erschrocken.

 

„Wie wäre es, wenn Sie hereinkommen? Dann könnten wir ein Gruppengespräch zu diesem Thema, alles noch ein wenig besser erörtern“, schlug Hans vor.

„Nein, das ist nicht nötig. Ich bin schon froh, dass sich das Jugendamt bemüht hat. Leider wurde ich vom Gericht gezwungen, meinem Mann die Kinder für die gesamten Herbstferien zu überlassen. Dieses Wochenende soll ein erster Test sein“, antwortete die Mutter. „Jeremias, auch du, Gerald, es wird kein FKK gemacht. Habt ihr mich richtig verstanden?“

„Ja, Mama, kein FKK“, antworteten beide brav im Chor.

„Nun, gute Frau, man hat mich nicht umsonst für diese Aufgabe ausgewählt“, begann Hans erneut. „Ich wohne direkt nebenan, sodass mir jede kleinste Kleinigkeit, die mit FKK in Verbindung steht, auffallen würde.“

„Das beruhigt mich ungemein. Sie müssen wissen, dass meine Söhne durch meinen Ex-Mann fast jede Scham verloren haben. Sie zeigen sich zu Hause mir gegenüber sogar nackt, was ich zwar im Griff habe, aber ich befürchte, dass sie durch die Ferien bei ihrem Vater wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen“, erklärte sie. Dann beugte sie sich zu Hans vor und flüsterte ihm ins Ohr, dass sie bereits überlegt hatte, einen Detektiv zu engagieren. Anschließend verabschiedete sie sich überschwänglich von ihren Söhnen, bevor sie ging.

„So, dann werden wir jetzt noch ein ernstes Wort miteinander reden, meine jungen Herren“, sagte Hans laut genug, dass ihre Mutter es noch hören konnte. Die Jungen erschraken erneut. Mit einer Handbewegung machte Hans ihnen deutlich, dass sie nun ins Haus kommen sollten. Man sah ihnen deutlich an, dass sie sich das Wochenende, ganz zu schweigen von den Herbstferien, anders vorgestellt hatten. Hans schob sie vor sich her ins Wohnzimmer.

„Werter Nachbar, was hat das zu bedeuten? Ich dachte, Sie kommen, weil Ihre Frau sich darüber beklagt hat, dass ich FKK praktiziere. Jetzt sind Sie sogar beim Jugendamt angestellt?“, fragte Herr Wellenbring leicht erregt.

„Ruhe und bitte setzen Sie sich. Auch ihr, jungen Herren. Ach, wartet mal. Wie ich eurer Mutter gesagt habe und ihr versprochen habe, hier wird kein FKK gemacht. Naturismus ist, wie ich mich wegen meiner Frau informiert habe, etwas Anderes als FKK“, erklärte Hans schmunzelnd und blickte in die Runde. Doch scheinbar hatte niemand verstanden, was er damit meinte. „Naturismus ist für euch und euren Vater nicht verboten. Es wäre also klar, dass ihr euch dem Outfit eures Vaters anpassen könnt. Ach ja, Herr Wellenbring – wobei es mir angenehmer wäre, wenn wir zum Du übergehen könnten, sollten sie dann auch wieder zum Naturismus zurückkehren. Das bedeutet Nackt zu sein. Noch etwas, damit es klar ist. Ich bin Rentner und habe niemals für das Jugendamt gearbeitet.“ Daraufhin lachten alle.

„Papa, bedeutet das wirklich, dass wir uns ausziehen dürfen?“, fragte der ältere Junge, der immer noch dachte, irgendwo müsse ein Haken sein.

„Mensch, rede nicht so viel Unsinn. Er hat unsere Mutter ver...“, lachte der Jüngere, wurde aber vom Vater unterbrochen.

„Na Jerry, keine solchen Wörtern. Ja, er hat eure Mutter auf den Arm genommen. Sie glaubt jetzt wirklich, dass wir hier unter behördlicher Aufsicht stehen, die uns quasi verboten hat, FKK zu machen, aber nichts gegen Naturismus hat. Wobei ich mich da noch einmal informieren muss, was genau der Unterschied ist. Ach ja, ich heiße Norbert.“ Dabei legte er den Bademantel ab und reichte Hans die Hand.

 

„Mein Name ist Hans. Doch wenn meine Frau in der Nähe ist, bleibe ich weiterhin Herr Scharpen“, sagte Hans grinsend. Als die Jungen ihren Vater so sahen, begannen sie sich ebenfalls auszuziehen.

„Meiner Frau werde ich dann auch eine Geschichte erzählen, damit ihr Bescheid wisst, ihr habt eine Hautkrankheit, weshalb ihr hier in einem sicheren Umfeld Naturismus betreiben müsst. Das hat euch euer Hausarzt so empfohlen. Haben wir uns verstanden? Das bedeutet, ihr sollt euch wirklich ganz nackt den Elementen aussetzen. Damit diese Form für euch normal erscheint, muss auch euer Vater sich nackt machen.“

„Hans, du wirst mir unheimlich. So, Jerry, Gerry, bringt bitte eure Sachen in die obere Etage. Jeder hat dort sein eigenes Zimmer, welches mit einem Namensschild an der Tür zu erkennen ist. Stellt die Koffer in den Schrank. Darum kümmern wir uns später. Im Moment sollte eure Haut das Einzige sein, was ihr anhabt.“ Fröhlich packten die beiden Jungen ihre ausgezogenen Sachen sowie die Koffer und brachten alles in ihre Zimmer.

Ich werde nun meiner Frau die unangenehme Nachricht überbringen, im Nachbarsgarten werden künftig weitere Nackedeis zu sehen sein. Aus gesundheitlichen Gründen lässt sich das nicht verhindern.

„Womit hast du eigentlich dein Geld verdient, Hans?“, wollte Norbert wissen.

„Ich habe bei einer Versicherung als Sachbearbeiter gearbeitet. Dort lernt man schnell, wie man mit Menschen umgehen muss, vor allem, wenn man ihnen manchmal etwas sagen muss, was eigentlich nicht ganz stimmt. Ich schätze, deshalb habe ich für deine Ex-Frau ganz gut den Beamten gespielt. Man sieht sich, Norbert. Ich komme jetzt öfter vorbei, um zu kontrollieren, dass ihr kein FKK macht.“

„Hans, du bist wirklich die lebende Definition eines Schlitzohres. Komme gerne vorbei, ich habe noch einige gute Tropfen Wein im Keller“, antwortete Norbert. So verabschiedeten sich die beiden. Als Hans das Haus verließ, schossen zwei nackte Jungen die Treppe hinunter und rannten in den Garten. Das wird ein harter Schlag für meine Frau, dachte er. Doch es kam noch schlimmer.

„Wie dein Mann muss auf eine wichtige Geschäftsreise“, klagte Helga gerade. Die gemeinsame Tochter war gerade zu Besuch. „Das mag ja noch angehen, aber warum verlangt seine Firma, dass du ihn begleitest?“

„Mutti, es geht nicht nur um eine Reise, sondern auch um eine Beförderung. Die Firma möchte auch die Ehefrau kennenlernen. Die Kinder würden sie ebenfalls gerne sehen, aber bei einer solchen Geschäftsreise würden sie sich langweilen. Und ihr habt doch in der zweiten Etage ausreichend Platz, immerhin stehen dort fünf Kinderzimmer leer. Das wäre doch eher der richtige Ort für die Kinder. Außerdem habe ich noch eine Bitte“, bat die Tochter ihre Mutter. „Meine Geschwister würden unsere Kinder zwar auch gerne aufnehmen, aber sie stecken gerade mit ihrer Firma, die sie zusammen gegründet haben, in einem großen Projekt, das Millionen umfasst. Deshalb können sie sich in den Herbstferien nicht um ihre Kinder kümmern. Da meine Kinder ja schon bei euch unterkommen, wäre es schön, wenn ihr auch deren Kinder aufnehmen könntet.“ In diesem Moment kam Hans zurück ins Haus.

 

„Hans, ich gehe bald am Stock. Kaum zu glauben, dass nicht nur die Kinder unserer Tochter, sondern jetzt auch die unserer Söhne die Herbstferien bei uns verbringen sollen! Das wären dann neun Kinder“, zählte Helga schnell durch.

 

„Das nenne ich mal eine tolle Sache. Die Enkelkinder unserer Tochter siehst du ja öfter, aber die von unseren Söhnen hast du wahrscheinlich zuletzt bei deinem sechzigsten Geburtstag gesehen. Hard im Vorarlberg liegt eben nicht um die Ecke. Übrigens, Peters Tochter sucht einen Ferienjob. Ich werde ihn sofort anrufen.“ Helga blickte hoffnungsvoll zu ihrem Mann, ebenso die Tochter, während Hans das Telefon von der Ladestation nahm.

„Tag Peter, gut, dass ich dich erreiche. Hat deine Tochter schon einen Ferienjob? Ich hätte da nämlich eine wirklich lukrative Tätigkeit. Die Ferienbetreuung von neun Kindern, deren Eltern sich momentan nicht um sie kümmern können, sodass sie alle zu uns kommen. Alle sahen Hans’ strahlendes Gesicht, das zeigte, dass die Tochter noch keine Aussicht auf einen Ferienjob bis jetzt hatte.

„Er kann seiner Tochter sagen, dass wir sie anstellen werden. Sie bekommt für jede Woche 1000 DM als Lohn. Die Sozialversicherung und Ähnliches übernehmen wir“, sagte Bettina sofort. „Mutti, du bekommst natürlich auch Geld dafür, dass du die Kinder verpflegst. Aber wo bringen wir sie unter? Dieses Haus wäre dann doch voll belegt.“

„Ach du Schreck! Da fällt mir ein, dass wir gerade einen unangenehmen Nachbarn bekommen haben. Hans, du hast doch mit ihm gesprochen. Was ist dabei herausgekommen?“ wollte Helga wissen.

„Nun, er bekommt gerade seine eigenen Kinder für die Herbstferien von seiner Ex-Frau aufgebürdet, da sie nicht in der Lage ist, im Sinne der Gesundheit ihrer Kinder zu handeln. Sie lebt in einem Hochhaus, doch die Kinder leiden an einer seltenen Hautkrankheit, bei der sich ihr gesamter Körper nur dann richtig erholen kann, wenn sie unbekleidet sind und Wind sowie Sonne auf die Haut bekommen. Leider hat er nicht das Geld, um einen Sichtschutz zu errichten“, erzählte Hans. „Die beiden Söhne wurden zudem von einer Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes drüben gerade abgeliefert, die noch einmal auf die Therapie gedrängt hat. Die Jungen scheinen damit klarzukommen, doch damit sie sich wohler fühlen, muss ihr Vater sich in Bezug auf Kleidung, besser gesagt Nicht-Kleidung, an sie anpassen. Das war ein Rat des Psychiaters, da die Jungen bereits in der Pubertät sind.“

„Das kann ich nicht fassen. Da wird die Situation ja noch schwieriger“, klagte Helga. „Wie soll ich das schaffen? Bettina, wäre da nicht ein Ferienlager für die Kinder besser?“ Hans wunderte sich, dass seine Tochter sich nicht negativ äußerte oder zumindest ähnlich wie ihre Mutter reagierte.

„Das haben wir alles zuerst versucht, aber seit über einem Jahr sind alle Plätze belegt. Was eure nackten Nachbarn angeht. Ich denke nicht, dass eines unserer Kinder ein Problem damit haben wird. Heutzutage sind die meisten gut aufgeklärt und wissen, wie Männer und Frauen nackt aussehen“, erklärte Bettina. „Wenn es euch recht ist, bringen wir die Kinder schon am Freitag nächster Woche, dem letzten Schultag, zu euch.“

„Peter, bist du noch dran? Also, kann deine Tochter dann schon am Freitag nächster Woche da sein? Sie bringt auch zwei Kinder mit, zwei Mädchen – au Backe!“

„Na klar, sie kann sie nicht in Rostock zurücklassen. Ich werde mich gleich umhören, ob es eine Möglichkeit gibt, die drei hier unterzubringen“, antwortete Hans ins Telefon.

„Ich melde mich sofort, wenn ich etwas finde. Es sind ja noch knapp zwei Wochen Zeit. Ansonsten bleibt nur die Möglichkeit, eine Ferienwohnung zu finden. Tschüss.“

„Können wir das wirklich schaffen, Hans?“, fragte seine Frau, die sich gerade ein Glas Eierlikör gönnte.

„Wir werden sehen. Ich werde gleich, Heinz aufsuchen, als Bürgermeister weiß er da vielleicht eine Lösung“, antwortete Hans. „Wenn einer sich in seiner Gemeinde auskennt dann er."

„Ach, an den Armen habe ich gar nicht gedacht. Betty, du musst wissen, er wohnt auf der anderen Seite unseres neuen Nachbarn. Der hat doch auch Kinder“, stöhnte Helga auf.

„Dann werde ich ihn auch informieren, warum im Nachbargarten plötzlich zwei nackte Jungen herumlaufen“, entgegnete Hans trocken.

„Tschüss, Papa, viel Glück! Ruf mich bitte sofort an, wenn es eine Lösung für die Probleme gibt“, verabschiedete sich seine Tochter und verließ schnell das Zimmer, nachdem sie sich auch von ihrer Mutter verabschiedet hatte. Hans machte sich auf den Weg, während Helga ins Wohnzimmer ging, wo sie sich mit Schreibblock und Stiften ausstattete. Dort begann sie sofort, die Verpflegung zu planen. Immerhin hatte sie früher als Köchin beim Roten Kreuz gearbeitet und dachte darüber nach, einige Freundinnen um Hilfe zu bitten.

Neugierig, wie Heinz auf die Neuigkeiten reagieren würde, klingelte Hans an dessen Haustür. Heinz Wagner war seit vielen Jahrzehnten Bürgermeister der Gemeinde. Dank seines diplomatischen Geschicks verfügte die Gemeinde über eines der besten Gemeindezentren der Umgebung. Wo in einem Gebäudekomplex eine Stadtbücherei, ein Hallenbad mit Freibad, eine Sporthalle sowie alle wichtigen Ämter in einem vereinigt sind. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite war zudem ein neues Schulgebäude für die Realschule entstanden, welches nach den Herbstferien seiner Aufgabe übergeben werden soll. Hans war seit der Grundschulzeit mit Heinz befreundet und setzte nun auf seine Unterstützung, bei der Wohnungssuche.

„Hans, was führt dich zu mir?“, begrüßte ihn Heinz.

„Es ist etwas kompliziert und hat eine längere Vorgeschichte“, antwortete Hans.

„Dann komm doch rein. Ich habe gerade Besuch, den du besser kennenlernen solltest“, lud Heinz ihn ein und führte ihn ins Wohnzimmer. „Das ist dein Nachbar Norbert Wellenbring. Der Herr daneben ist sein Bruder Gernot Wellenbring, der nächste Woche als Jugendpfarrer in unserer Gemeinde anfängt.“ Hans lachte, und Heinz schaute ihn erstaunt an. Norbert lachte ebenfalls, während sein Bruder ihn verwundert ansah.

„Wir haben uns heute Mittag schon kennengelernt. Na, Hans, wolltest du dich gerade bei Heinz beschweren?“, Scherzte Norbert belustigt. Hans schaute überrascht, da Norbert seinen Freund Heinz duzte.

„Dafür hätte ich keinen Grund. Nur meine Frau“, antwortete Hans und musste lachen. „Also, meine Frau hat sich vorhin daran erinnert, dass Heinz auch Kinder hat und neben unserem neuen Nachbarn wohnt. Die Kinder würden ihn also auch nackt sehen. Aber wir stehen vor einem anderen großen Problem. Alle meine Kinder bringen ihre Nachkommen in den Herbstferien zu uns. Wir haben bereits eine Frau, welche da die Betreuung übernehmen würde, aber wir wissen nicht, wo wir sie unterbringen können. Sie bringt außerdem ihre beiden Töchter mit. Heinz, du warst meine erste Anlaufstelle, wo ich hoffte Hilfe zu bekommen. Kennst du jemanden, der uns unterstützen kann?“ Heinz lachte herzlich.

„Na siehst du, Norbert, vielleicht ist damit auch dein Problem gelöst. Hans wird dieser Frau bestimmt nicht viel zahlen können. Da könnte sie doch auch deine Kinder – vielleicht sogar meine drei Rangen gleich mitbetreuen.“

 

„Da muss ich dich enttäuschen. Meine Kinder verdienen ganz gut. Aber ich war selbst überrascht, dass sie der Frau glatt 1000 DM pro Woche zahlen wollen. Da sie offenbar alleinerziehend ist, denn von einem Mann oder Vater habe ich nichts gehört, da wird sie euer Geld sicher gut gebrauchen können“, informierte Hans die Runde.

„Hans, dir sollte doch klar sein, dass Norberts Kinder, erst recht meine und wahrscheinlich auch noch Freunde haben werden, die vorbeikommen. Ich schätze, dass Schlafplätze dann das geringste Problem sind. Das Betreuungsproblem ist da schon viel größer. Aber ich habe mir dazu schon Gedanken gemacht. Umso mehr freut es mich, dass du so viele Kinder zum Projekt Herbstferien beitragen kannst. Du kannst Helga beruhigen, sie braucht keine Angst um ihren Garten zu haben. Ich nehme einfach das neue Schulgebäude in Beschlag. Der Schulbetrieb beginnt ja sowieso erst nach den Herbstferien.“

„Na, das läuft in deiner Gemeinde ja richtig gut. Da freue ich mich wirklich auf die Jugendpfarrstelle. Ach ja, für euch alle hier bin ich dann nur Gernot, wenn das Okay ist.“ Sagte der neue Jugendpfarrer und reichte Hans die Hand.

„Ich bin Hans. Wenn du mal Hilfe brauchst, komm einfach vorbei. Als Rentner werde ich bestimmt ein Zeitfenster finden, um dir dann zu helfen“, versicherte er Gernot sofort seine Unterstützung. „Sag mal, Heinz, in welcher Beziehung stehst du zu den beiden? Besonders zu Norbert, der meiner Helga ein Dorn im Auge ist.“

„Heinz, das hatte ich dir und auch Gernot noch nicht erzählt. Wir machen ab sofort kein FKK mehr. Das hat Hans als Superkontrolleur und Mitarbeiter des Jugendamtes meiner Ex versichert. Stattdessen praktizieren wir Naturismus“, sagte Norbert lachend, als er sich an die Verlade seiner Frau durch Hans erinnerte.

„Hans war da schon immer sehr kreativ. Er hat mir schon zur Schulzeit oft den Rücken freigehalten. Aber Hans, ich muss dir etwas beichten. Ich wusste nicht, wie du dazu stehst. Meine Frau und ich sind seit einigen Jahren FKKler, oder wie du es jetzt nennst, Naturist. Meine Kinder sind es auch, ebenso die, die ich adoptiert habe, nachdem meine leiblichen Kinder ausgezogen sind. Ich hatte schon Angst, dass man uns die Pflegekinder wieder wegnehmen könnte, wenn man erfährt, dass meine Frau und ich kein Problem mit Nacktheit habe, besonders als ich den Adoptionsantrag gestellt habe. Norberts Kinder, aber auch meine leiblichen, haben meinen Adoptivkindern den Weg in den FKK alias Naturismus geebnet. Da es keinen FKK-Verein in der Nähe gibt, von einem geeigneten Gelände ganz zu schweigen, habe ich Norbert sofort Bescheid gesagt, dass neben meinem Haus ein passendes Haus für ihn frei geworden ist. Wegen Helga hatten wir auch schon einen Sichtschutz geplant. Doch es gab Wichtigeres. Das Haus musste, wie du ja mitbekommen hast, kernsaniert werden. Jetzt ist alles top in Ordnung, sodass dort sogar noch eine kleine Wohnung auf einen Mieter wartet. Die Frau könnte also auch länger als nur zwei Wochen bleiben.“

„Das klingt ja vielversprechend. Ich hoffe, sie kommt mit den anderen Bewohnern, die ja Naturisten sind, gut zurecht“, äußerte Hans seine Bedenken. „Kann ich von hier aus anrufen?“

„Klar, du weißt ja, wo das Telefon steht“, antwortete Heinz knapp. Hans machte sich auf den Weg zum Telefon im Flur.

„Hallo Peter, ich bin es noch einmal. Das Wohnungsproblem ist so gut wie gelöst, vorausgesetzt, deine Tochter kommt mit dem FKK-Vermieter unter einem Dach klar. Er könnte ihr eine Wohnung vermieten. Nebenbei noch eine Information. Meine Kinder geben ihr ja schon pro Woche 1000 DM, dazu kommt noch weiteres Geld, dessen Höhe ich derzeit nicht genau kenne. Es geht um die Ferienbetreuung weiterer Kinder. Genau genommen um ein Ferien Projekt. Wie sieht es aus?“

„Sonja ist gerade mit ihren Töchtern für das Wochenende bei mir zu Besuch. Wir könnten sofort vorbeikommen, damit ihr sie und ihre Kinder besser kennenlernen könnt. Dann kannst du sie auch direkt wegen des FKK-Vermieters fragen“, sagte Peter.

 

„Ich bin gerade bei Heinz. Kommt doch direkt hierher. Derjenige, der die Wohnung an deine Tochter vermieten würde, ist auch da“, erwiderte Hans.

„Wir sind in ca. zehn Minuten da. Bis gleich“, sagte Peter.

„Wie sieht es aus?“, fragte Heinz kurz darauf.

„Sie ist gerade bei ihrem Vater zu Besuch und wird in etwa zehn Minuten hier sein“, antwortete Hans.

„Das nenne ich mal Schicksal“, bemerkte Heinz. Während sie warteten, unterhielten sie sich über verschiedene Themen. Schnell kamen sie darauf, dass alle gerne einen guten Tropfen Wein trinken. Plötzlich stand ein Mädchen im Bademantel im Wohnzimmer.

„Papa, da will dich jemand sprechen. Eine Frau mit zwei Mädchen. Onkel Peter ist auch dabei“, sagte Lisa.

„Danke, Lisa. Wir haben die Türschelle gar nicht gehört“, antwortete Heinz. Die Besucher wurden nun von einem Jungen, der auch einen Bademantel an hatte, ins Wohnzimmer geführt.

„Hallo, Freunde. Darf ich euch meine Tochter Sonja sowie ihre Töchter Ronja und Irja vorstellen?“, begrüßte Peter seine alle und stellte seine Begleitung vor. Sonja und die Mädchen schüttelten reihum allen die Hand.

„Was ist noch, Lisa?“, wollte Heinz wissen.

„Vielleicht wollen die beiden mit uns oben spielen, während ihr Erwachsenen euch in Ruhe unterhalten könnt“, schlug Lisa vor.

„So könntet ihr schon einige der Kinder kennenlernen, für die ich in den Herbstferien verantwortlich sein werde“, wandte sich die Mutter an ihre Töchter. Diese nickten und folgten Lisa in die zweite Etage, wo ihnen bereits Kinderlärm entgegenschallte.

„Schön, dass sie sich so schnell bereit erklären, die Aufgabe zu übernehmen. Was sind Sie beruflich?“, fragte Hans.

„Ich bin eigentlich Lehrerin, derzeit jedoch arbeitslos. Ich habe ein Studium Lehramt Sekundarstufe 1 abgeschlossen und habe nebenbei auch eine Ausbildung zur Erzieherin absolviert. Eine Stelle auf die ich mich beworben hatte und auch schon sicher hatte, wurde dann an eine andere vergeben“, begann Sonja, ihren Werdegang zu erläutern.

„Nicht, dass ich mich darüber freue, dass Sie arbeitslos sind. Aber im Bereich der Lehrkräfte haben wir tatsächlich ein Problem. Genauer gesagt, stehen wir vor der Herausforderung, eine Rektor Stelle an unserer neuen Realschule zu besetzen. Vielleicht überlegen Sie sich das bis zu den Herbstferien. Wir würden Sie dann für diese Stelle einstellen. Auf die Ausschreibung hat sich bisher niemand beworben. Wer möchte auch schon in einem so kleinen Ort leben?“

„Wenn Sie bleiben, würde ich Ihnen die Wohnung auch richtig vermieten. Sie ist zwar nicht groß, bietet aber alle notwendigen Räume: ein großes Kinderzimmer, ein Elternschlafzimmer sowie ein Wohnzimmer mit angeschlossener Küche. Wir können ja mal rübergehen, damit Sie sich selbst ein Bild machen können“, schlug Norbert vor.

„Ja, das wäre am besten, besonders, wenn ich das Angebot für die Rektorinnen Stelle annehme, an der ich bereits interessiert bin. In Rostock fühle ich mich nach dem tödlichen Arbeitsunfall meines Mannes nicht mehr gebunden. Für meine Kinder wäre der Umzug vielleicht schwierig, aber ich bin sicher, sie werden damit klarkommen.“ So bewegte sich eine Gruppe von fünf Personen vom Haus des Bürgermeisters zum Haus von Norbert, wo sie in die zweite Etage gingen.

„Wie Sie sehen, handelt es sich um eine Einliegerwohnung mit separatem Eingang über eine Außentreppe. Sie können aber auch problemlos die Innentreppe nutzen“, erklärte Norbert, als sie gerade die erste Etage erreichten. Aus dem Nichts schoss ein nackter Junge an der Gruppe vorbei und ließ alle staunen.

„Holla, wer war das denn?“ lachte Sonja, worüber alle erleichtert waren, dass sie nicht verärgert reagierte.

„Das war mein Ältester. Gerry, wo willst du denn hin?“ fragte Norbert seinen Sohn, der gerade an ihnen wollte.

„Jerry und ich haben uns mit den Nachbarn angefreundet“, antwortete der Junge, dem es offenbar nichts ausmachte, nackt zu sein. „Gerade sind noch zwei Mädchen gekommen, mit denen wir uns auch gut verstehen. Ronja, eines der Mädchen, liebt Grönemeyer. Ich habe ihr gesagt, dass ich mir gerade die neue CD gekauft habe und sie ihr leihen will.“

„Die Frau dort ist übrigens ihre Mutter“, stellte Norbert die Frau vor. „Sie wird euch und noch viele andere Kinder, in den Herbstferien betreuen.“

„Das ist toll. Mein richtiger Name ist Gerald, aber alle Freunde nennen mich Gerry. Das können Sie auch so machen“, sagte Gerry und gab Sonja die Hand.

„Du scheinst wohl ein FKKler zu sein“, bemerkte Sonja freundlich, was Gerry etwas verunsicherte.

„Oh, Entschuldigung, ich hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass ich nackt bin“, antwortete Gerry ehrlich.

„Dafür musst du dich nicht entschuldigen. Wie du siehst, stört das hier niemanden“, erwiderte Sonja freundlich.

„Ich weiß nicht, ob Sie böse auf Ihre Töchter sind, aber wir haben sie auch überredet, sich auszuziehen. Denn wir sind hier und drüben alle Naturisten. FKK wurde meinem Bruder und mir von unserer Mutter verboten. Doch der Freund meines Vaters hat uns gesagt, dass wir an diesem Wochenende keinen FKK machen würden. Er hat das meiner Mutter versprochen. Das machen wir nicht, weil sie das nicht möchte. Deshalb sind mein Bruder und ich froh, dass wir das Wochenende bei unserem Vater verbringen dürfen. Besonders freuen wir uns auf die Herbstferien. Am liebsten würden wir sogar zu ihm ziehen, doch unsere Mutter ist dagegen. Das mit dem FKK war schon immer so. Seit sie jedoch diesen Ronald kennengelernt hat, darf ich nicht einmal mehr mit Jerry, meinem kleinen Bruder, zusammen in die Badewanne gehen. Jetzt muss ich aber wieder rüber. Tschüss!« Damit war er wie eine Rakete davon.

„Stört es sie nicht, dass er nackt war?“, fragte Norbert. Auch die anderen warteten gespannt auf die Antwort.

„Wir sind vor drei Jahren wegen meines Ehemanns nach Rostock gezogen, weil er dort eine Arbeitsstelle bekam. Leider hatte er dort einen tödlichen Arbeitsunfall. Der Osten gilt ja als FKK-Paradies, doch meine Töchter konnten sich dafür nicht begeistern. Eigentlich geht keine ihrer Freundinnen zum FKK-Strand. Ich selbst gehe gerne dorthin, wenn meine Kinder in der Schule sind. Dort habe ich das FKK erstmals ausprobiert, es ist ein schönes Gefühl. Doch meinen Töchtern konnte ich das nicht vermitteln. Nun haben Ihre Kinder etwas erreicht, das mich noch mehr bewegt, hierher zu ziehen.“

„Das beruhigt mich sehr, denn ich bin wie meine Söhne ebenfalls FKK-Anhänger, also Naturist. Sie können den Garten als Ersatz für den FKK-Strand nutzen“, bot Norbert ihr sofort an.

„Das wäre ein weiterer Grund, dauerhaft bei Ihnen zu wohnen“, sagte sie, was alle noch mehr beruhigte.

„Wie wäre es, wenn ich Ihnen meine Wohnung zeige? Sie könnten dann auch die Küche mitbenutzen, da in der Einliegerwohnung nur das Nötigste in den Schränken steht“, schlug Norbert vor.

So führte Norbert die Gruppe durch das ganze Haus.

„Wenn Ihre Töchter schon gut mit meinen Söhnen befreundet sind, gibt es auf deren Etage zwei freie Gästezimmer – und ein drittes für Sie“, brachte Norbert seine Idee ein. In diesem Moment kam Gerry mit einem Mädchen über die Terrasse ins Haus gestürmt.

„Hallo Ronja, wohin willst du denn mit Gerry?“, fragte die Mutter.

„Ach Mutti, dürfen wir mit den Kindern im Nachbarhaus eine Nacht verbringen? Die sind alle wirklich nett“, antwortete Ronja, die sich weder vor ihrer Mutter noch vor den anderen schämte, so nackt wie Gerry zu sein. „Wir wollten nur noch Decken holen.“

„Ronja, was hältst du von der Idee, von Rostock hierher zu ziehen? Du und Irja müsstet euch nur von euren Freunden trennen“, fragte die Mutter ihre Tochter. Statt einer negativen Reaktion sah sie ein Strahlen auf Ronjas Gesicht. „Mir scheint, das gefällt dir.“

„In Rostock hatten wir nicht wirklich tolle Freunde, aber hier haben sie uns sofort als Freunde aufgenommen. Gerry hat mir sogar seine nagelneue Grönemeyer-CD geliehen. Wo würden wir denn hier wohnen?“, wollte Ronja wissen.

„Na, Gerry, willst du Ronja nicht gleich mal die Gästezimmer zeigen? Ich habe gerade Sonja vorgeschlagen, dass sie dort besser untergebracht wäre als in der Einliegerwohnung unter dem Dach. Dort hätten sie zwar weiterhin ihr eigenes Reich, aber es ist einfach nicht so komfortabel.“

„Komm, Ronja, ich zeige dir, wo ihr schlafen werdet“, sagte Gerry begeistert.

„Gerry, was hältst du davon, wenn ihr die anderen rüber holt und euch im Wohnzimmer für die Nacht breitmacht? Dort könntet ihr auf dem großen Fernseher eine DVD anschauen.“

„Super, da hätten wir auch viel mehr Platz als drüben.“ Schon eilten die beiden los, um die anderen zu holen.

„Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber so fröhlich habe ich meine Tochter schon lange nicht mehr gesehen“, sagte Sonja, die inzwischen richtig locker geworden war. Nun war allen klar, dass Rostock nicht der richtige Ort für sie gewesen war. „Die beiden hatten auch ganz schön mit dem Tod ihres Vaters zu kämpfen. Offenbar ist es wirklich das Beste, von Rostock hierher zu ziehen. Schade, dass ich bis zu den Herbstferien noch in der Ausbildung zur Haushälterin stehe.“

„Heinz, das Telefon steht dort neben der Musikanlage“, sagte Norbert mit einem schelmischen Grinsen. Er ahnte, wonach sein Großonkel suchte – und was er vorhatte. Sonja schaute verwundert zu, was gerade geschah. Heinz blickte kurz in ein kleines Büchlein und wählte dann eine Nummer.

„Bürgermeister Wagner, entschuldigen Sie die Störung, Herr Schubert. Wir sind gerade dabei, mehrere Probleme auf einmal zu lösen. Können Sie uns sagen, wo in der Nähe jemand untergebracht werden könnte, der eine Ausbildung zur Haushälterin abschließt? Die Dame könnte am Ende sogar unsere neue Realschulrektorin werden. Ich warte.“

„Papa, was passiert hier?“, fragte Sonja, während ihr vor Glück kleine Tränen über die Wangen liefen.

„Mein Töchterlein, dein Leben kommt schneller wieder in die Spur, als du denkst. Vielleicht fährst du nur noch einmal nach Rostock, um alles in einen Umzugswagen zu packen, deine Töchter von der Schule abzumelden und dann zurück in deine Geburtsstadt zu ziehen. Dort kannst du deine Töchter an einer Schule anmelden und endlich deinen Traumberuf ergreifen.“

„Ja, ich höre“, antwortete der Bürgermeister plötzlich. „Danke, vielen Dank. Sie ahnen gar nicht, wie viele Menschen diese Nachricht glücklich macht. Frau Seele, Sie müssen jetzt Herrn Schubert ein paar Fragen beantworten.“ Mit diesen Worten übergab der Bürgermeister ihr das Telefon. Sie gab die nötigen Informationen weiter und musste sich anschließend erst einmal setzen, weil ihre Beine sie nicht mehr trugen. Der Bürgermeister kam auf sie zu.

„Frau Seele, wenn ich ein Umzugsunternehmen zu Ihrer Wohnung schicke, müssen Sie dann beim Packen dabei sein, oder können die Umzugshelfer das alleine schaffen?“ Kam dann die Frage von Heinz. »Da Sie gerade alle Probleme. Da sie gerade mit einem Handstreich alle Probleme gelöst haben, ist dies das Mindeste, was ich für Sie tun kann. Die Kosten trägt in diesem Fall die Gemeindekasse.« Nun schluchzte Sonja richtig. In diesem Moment kam eine große Gruppe von Kindern über die Terrasse ins Wohnzimmer. Doch als sie die weinende Frau sahen, blieben sie erschrocken stehen.

»Mutti, was ist passiert? Ziehen wir nun doch nicht in den Herbstferien hierher?«, fragte Ronja.

»Mutti, mach dir keine Sorgen, wir werden es auch in Rostock noch schaffen«, versuchte die jüngere Irja ihre Mutter zu trösten.

»Nun, Kinder, es sieht so aus, als würden wir euch nicht mehr nach Rostock zurücklassen«, erklärte Norbert. »Euer Zuhause wird jetzt dieses Haus sein. Ich heiße die Familie Seele in ihrem neuen Zuhause herzlich willkommen.« Jetzt begannen auch die Mädchen vor Freude zu weinen.

»Paps, bedeutet das, dass sie wirklich für immer hierbleiben werden?«, fragte ein strahlender Gerry. Auch bei ihm war die Freude deutlich im Gesicht abzulesen. Dann begann eine große Knuddelrunde unter den Kindern. Die Kleinen wie auch die Großen störten sich nicht daran, dass sie alle nackt waren.

»Jungs, auch wenn ihr zu eurer Mutter zurückmüsst, könnte es sein, dass ihr öfter hier bei mir sein werdet als nur jedes zweite Wochenende. Zur Schule müsstet ihr dann allerdings den Zug nehmen. Denn nun ist eure Mutter ja überzeugt, dass das Jugendamt ein besonderes Auge auf mich hat. Sie will wegen ihres neuen Lebenspartners auch Kurse für Prediger besuchen, die oft über eine ganze Woche, manchmal sogar über einen Monat dauern. Sonst wärt ihr unbeaufsichtigt. Einzig das Kinderheim wäre dann die Alternative, doch das müsste sie teuer bezahlen.« Gerry und sein Bruder strahlten nun um die Wette.

»Wenn ich mich recht erinnere, befinden sich im großen Gefrierschrank vier große Kanister Eis. Ich wollte mich damit bis zu den Herbstferien beschäftigen. Doch heute ist ein Festtag für euch Kinder, und dazu gehört Eis. Der Eislöffel liegt in der Schublade unter den Kochplatten.« Mehr musste Vater Norbert nicht sagen, da stürmte die Schar bereits in die Küche.

»Sag mal, Heinz, Norbert hat zwei Kinder, Sonja auch zwei, und du hast nur drei. Aber ich glaube, gerade 15 Kinder in Norberts Küche gesehen zu haben«, bemerkte sein Bruder Gerry.

»Brüderchen, so etwas nennt man biologische Zellteilung«, lachte Norbert, wo alle gleich einstimmten.

»Nun, Sonjas Kinder hatten recht. Hier schließen die einheimischen Kinder ziemlich schnell Freundschaft mit neu Zugezogenen«, erklärte Heinz. »Nicht nur die Kinder werden hier direkt in die Gemeinschaft aufgenommen, das gilt sogar für Tagesgäste.« Sonja konnte wieder lachen, und die Erwachsenen amüsierten sich darüber.

Wie sich etwa 15 Kinder unterschiedlichen Geschlechts im Alter zwischen 10 und 15 Jahren mit Decken und Kopfkissen im Wohnzimmer ausbreiteten.

„Papi, für euch stehen auch in der Küche Schüsseln mit Eis bereit“, verkündete ihm sein ältester Sohn.

In der Küche fanden sie herrlich garnierte Eisbecher vor, die aussahen, als kämen sie direkt aus einer Eisdiele.

„Dann lasst uns das Eis genießen“, meinte Norbert.

„Ich muss sagen, dein Sohn hat sich wirklich viel Mühe gegeben“, lachte Sonja.

„Das war Gerry nicht allein, Mama. Das haben wir alle zusammen gemacht. Jeder hatte eine Aufgabe“, erklärte ihre kleine Tochter. „Wo finde ich die Toilette?“

„Hinten im Flur, die Tür mit der Aufschrift ‚WC‘“, informierte Norbert. Nachdem sich alle verabschiedet hatten, blieb Sonja noch, da sie ihre Kinder in der ungewohnten Umgebung nicht allein lassen wollte. Gleichzeitig wollte sie auch ihre erste Nacht im neuen Zuhause verbringen.

„Setzen wir uns noch auf den Balkon in der ersten Etage, um den Sonnenuntergang zu genießen“, schlug Norbert vor. „Ich denke, wir sollten auch zum Du übergehen.“

„Das wollte ich auch schon vorschlagen, da unsere Kinder sich so gut verstehen, Sonja.“

„Sonja, wenn es dir nichts ausmacht, würde ich mich jetzt wieder als Naturist bewegen.“

„Absolut nicht. Wenn du mir dann noch mein Zimmer zeigst, schließe ich mich dir gerne an.“ So kam es, dass die beiden bald auf dem Balkon in bequemen Liegestühlen lagen. Norbert hatte noch eine Flasche Wein besorgt und schaute zwischendurch ins Wohnzimmer nach der Kinderschar.

„Die Kleinen sind alle schon eingeschlafen. Die Großen sind auch nicht mehr weit davon entfernt, dem Sandmann zum Opfer zu fallen“, teilte Norbert Sonja mit.

„Dein Haus ist sprichwörtlich ein Paradies, nicht nur für meine Kinder, sondern auch für mich. Wir fühlen uns jetzt schon wie zu Hause“, schwärmte Sonja. „Meine Töchter haben hier die besten Freunde gefunden, mit denen sie jetzt sogar etwas teilen, wozu sie in Rostock nicht bereit waren. Dort habe ich aber zuerst entdeckt, wie schön es sein kann, sich hüllenlos den Elementen auszusetzen.“

„Manchmal ist es besser, wenn Gleichaltrige es tun. Sie bringen einen dazu, Mauern zu überwinden“, begann Norbert zu erzählen. „Bei mir war es so, dass ich andere davon überzeugte, wie schön es ist, ohne Badehosen zu schwimmen. Wir waren auf einer Radtour, als sich das Wetter überraschend änderte, von trüb und bewölkt zu wolkenlos, mit Temperaturen um die 30 Grad. Als wir an einem See vorbeikamen, legten wir eine Pause ein. Zunächst liefen wir nur am Ufer im Wasser, wobei wir unsere Hosen hochkrempelten. Mein bester Freund Erik stolperte dabei und landete mit dem Gesäß im See. Ich zog daraufhin meine Hose aus und gab ihm mein T-Shirt, damit er sich abtrocknen konnte. So stand ich nur noch in Unterhose da. Da dachte ich mir, wir sind hier unter uns, da kann ich meiner Leidenschaft endlich wieder freien Lauf lassen und das nicht in einem Hallenbad, sondern in der freien Natur. Erik hatte sich ebenfalls ausgezogen und seine Sachen an niedrige Zweige eines Baumes gehängt, war also schon vor mir nackt. Als er nun sah, dass ich nackt war, lachte er los. Wir liefen dann einfach in den See und begannen zu schwimmen. Die anderen zögerten noch. Es ist ja auch etwas anderes, sich nach dem Schulsport in einem geschlossenen Raum zu duschen, als sich in aller Öffentlichkeit nackt zu zeigen. Doch bis auf zwei folgten schließlich alle unserem Beispiel. Beim nächsten Mal hatten zwar alle Badehosen dabei, doch ich sagte einfach, ich hätte keine eingepackt, weil es viel schöner sei, ohne zu schwimmen. Erik war der Erste, der sofort seine Badehose wegräumte, aus der Unterhose schlüpfte und mit mir zusammen als Erster wieder ins Wasser lief. Diesmal folgten uns alle, die dann auch zugeben mussten, dass es wirklich viel besser ist, so zu schwimmen und auch an Land nackt zu bleiben.“

 „Das ist auch das Einzige, was ich bereue. Ich hätte diese Erfahrung gerne schon als Kind gemacht. Schön, dass meine Kinder das noch erleben können, so wie du damals als Kind, und dann auch mit Freunden“, sagte Sonja nur. Beide schwiegen einen Moment, um ihren Gedanken nachzuhängen. Während sie die Weinflasche und die Gläser in die Küche brachten, schauten sie noch einmal nach den Kindern, die inzwischen alle schliefen. Norbert schaltete mit einem Grinsen den noch eingeschalteten Fernseher aus. Dann wünschten sie sich eine gute Nacht. Norbert zeigte Sonja noch ihr Zimmer. Da sie sich entschieden hatte, nackt zu schlafen, musste sie nicht überlegen, ob sie Unterwäsche tragen sollte oder nicht. Denn sie war ja schon Nackt.

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